Die "Mönchsziffer": Ein cisterciensisches Nummernsystem?

Cistercienser trugen zur Verbreitung von einem eigenen Ziffernsystem bei. Ann Moyers hat in ihrer Speculum Rezension (78.3/2003) von David King, The Ciphers of the Monks (Stuttgart 2001) darauf hingewiesen, dass die “Mönchsziffer” nie offiziell nach dem Orden von Cîteaux benannt und schon gar nicht bewusst von seinen Mitgliedern entworfen wurden. Sie kamen von ganz woanders her: Um 1200 wurden Zahlen vom Engländer John of Basingstoke aus Athen in den englischen Bereich gebracht. Es waren englische Cistercienser, die das numerische System aufgegriffen haben; eine wesentliche Verbreitung der Ziffern über ganz Europa verlief im Hoch- und Spätmittelalter über cisterciensische Skriptorien. 

Moritz Wedell schrieb in einer Rezension in der Zeitschrift für Germanistik (13.3/2003), dass die Eleganz der Mönchsziffern in ihrer die Einfachheit liegt; das ist ein durchaus bekanntes cisterciensisches Phänomen. Die Überlieferung der Ziffern ist zwar auf weniger als 30 Handschriften beschränkt, aber weil diese Quellen in auffälliger Weise cisterciensisch gestreut sind, kann man belegen, dass die Söhne von Cîteaux sie gern verwendeten. Trotzdem sind die Ziffern in keiner Weise “geheim” oder auf Cistercienser beschränkt: “Die Geschichte [der Mönchsziffer] reicht von der monastischen Schriftkultur der Zisterzienser über das wissenschaftliche und magische Interesse der Frühen Neuzeit bis hin zu einer Reihe von kryptographischen Verwendungen, nicht zuletzt in Freimaurerverbünden des 19. Jahrhunderts, und in archaisierenden Phantasien der Moderne”, so Wedell. Im 19. und 20. Jahrhundert galten die Ziffern als Beispiele des germanisierenden Sammelbegriffs “Runen”. 

Für den Gebrauch in gedruckten Büchern waren die Mönchsziffern unpraktisch, weil sie trotz ihrer eleganten Erscheinung doch kompliziert in der Konstruktion waren. Im technischen Zeitalter galten sie zum ersten Mal als “geheim”, weil sie immer weniger bekannt wurden. Romantiker machten sie dann zu “magischen Kommunikationsmitteln” (Wedell).